Darf man Gotteshäuser auch für andere Zwecke nutzen?

Verfasst von: Thomas Krytzner
In der Dreifaltigkeitskirche in Lenningen-Hochwang wurden Stegreif-Konzepte vorgestellt.
In der Dreifaltigkeitskirche in Lenningen-Hochwang wurden Stegreif-Konzepte vorgestellt.  Bild: Thomas Krytzner
Kirche ist ein Ort der Stille und des Gebets. In Gotteshäusern finden die wichtigen Stationen im Leben der Gläubigen statt: Taufe, Konfirmation oder Firmung, Heirat und Trauerfeier. Liegt es da nicht fern, Kirchen einfach umzunutzen? Im Baden-Württembergischen Hochwang bei Lenningen stellten Studenten nun Konzepte vor, wie man leere Kirchen wieder mit Leben füllen kann.

Die Aufgabenstellung an die Studenten der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart war deutlich formuliert: Die rückläufige Entwicklung der Mitgliederzahlen der christlichen Kirchen in den letzten Jahren bedingt vielerorts den Leerstand oder den unwirtschaftlichen Erhalt von Gotteshäusern in der Funktion als Kirche. Umnutzung soll der Ausweg aus der Krise zu sein. Unter dem Arbeitstitel „Der Glöckner von Notre Dame“ fanden sich die Studenten Boroka Felsö, Marcus Knust, Andreas Eberlein, Johannes Bäuerle und Constanze Tierling von der Stuttgarter Akademie zusammen. Im Rahmen eines Stegreifs entwickelten sie innerhalb von drei Wochen Lösungen für die Kirche in Hochwang. Die Arbeiten entstanden in Kooperation mit der Evangelischen Landeskirche.

Die Stegreifkonzepte zogen viele Interessierte an. (Bild: Thomas Krytzner)

Die Dreifaltigkeitskirche der Kirchgemeinde Erkenbrechtsweiler-Hochwang entstand 1957 nicht zuletzt unter dem Einfluss der Firma Schäufele. Damals gab es viele Heimatvertriebene in der Gemeinde. Dementsprechend groß ist das Kirchenschiff: 400 Menschen finden darin Platz, um Gottesdienste zu feiern. Mittlerweile wird das Gotteshaus der zu Lenningen gehörenden Gemeinde ökumenisch genutzt, wie Pfarrerin Brigitte Turnacker berichtete. Zu den Messen, Eucharistiefeiern und Gottesdiensten kommen gerade mal noch 150 Leute. Dieser Zustand rief Dekanin Renate Kath von der Evangelischen Landeskirche auf den Plan und sie erteilte der Akademie der bildenden Künste in Stuttgart den Auftrag, aus dem Stegreif Konzepte zu erarbeiten, wie man wieder mehr Menschen in die Kirche bringt. Dabei war den Studenten freigestellt, welches Konzept sie wählen; ob kompletter Umbau oder mit kirchlicher Nutzung. Einzige Vorgabe: Am Ort sollen weiterhin Gottesdienste abgehalten werden können.

Florian van het Hekke und Katharina Köglberger. (Bild: Thomas Krytzner)

Da der Zeitrahmen mit drei Wochen relativ kurz bemessen war, mündeten die Arbeiten der Studenten in Konzepten. „Diese gehen nicht in die Tiefe“, wie der künstlerische Assistent der Klasse für Entwerfen, Architektur und Design, Florian van het Hekke erklärte. Gemeinsam mit der Klasse für Wohnbau, Grundlagen und Entwerfen der staatlichen Akademie ging es im letzten Jahr ans Werk. Und die Ideen waren mannigfaltig: Nach der Besichtigung vor Ort gab es viele Ideen, die die Studenten dann in Konzepten verarbeiteten. So stellte sich einer der fünf Studenten die Kirche als Klettergarten vor, „damit man mal durch die hohen Kirchenfenster rau schauen kann“. Auch die Umwandlung in eine multifunktionale Begegnungsstätte mit Café könnte sich einer der Studenten gut vorstellen. „Provokation löst Diskussionen aus“, vermutet Florian van het Hekke.

Es komme bei den Konzepten der Studenten darauf an, wie weit in das Gebäude eingegriffen wird. Katharina Köglberger leitete ebenfalls eine Studentengruppe an und erklärt: „Kirchen sind spannende Räume und es gibt viele Möglichkeiten der anderweitigen Nutzung.“ Der religiöse Hintergrund der Studenten floss zum Teil in die verschiedenen Konzepte mit ein. „Die Vorgehensweise entscheidet jeder individuell“, wie Student Marcus Knust verriet. Die Pfarrerin der evangelischen Kirchgemeinde Erkenbrechtsweiler-Hochwang ist von den Entwürfen angetan: „Es geht darum, zu überlegen, wie die Kirche stärker genutzt werden kann. Sie soll nicht leer stehen.“ Bei den Konzepten wurde aber nicht nur der Innenraum des Gotteshauses beleuchtet, sondern auch die nähere Umgebung.

Pfarrerin Brigitte Turnacker bei der Vernissage in Hochwang. (Bild: Thomas Krytzner)

Hier sei man, gemäß der Pfarrerin, auch mit dem NABU in Gesprächen, vor allem wie die Außenanlagen naturnah gestaltet werden können. „Im Biosphärengebiet der Schwäbischen Alb ist das besonders wichtig“, sagt Brigitte Turnacker. Gerade bei dem geweihten Gebäude mussten die Studenten von verschiedenen Perspektiven ausgehen. Florian van het Hekke dazu: „Die Konzepte erscheinen manchmal zwar pietätlos oder radikal, aber es sind Vorschläge, wie man das Gebäude wieder beleben kann.“ Die Vernissage zog viele Interessierte an und die angeregten Diskussionen nach der Eröffnung blieben nicht aus. Die Entwürfe der fünf Studenten können noch bis zum 9. Juni 2017, jeweils von 10 bis 19 Uhr in der Dreifaltigkeitskirche in Hochwang besichtigt werden.

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