Unternehmens-Insolvenz: Die geheimen Taktiken der Banken

Verfasst von: Uwe Eugen Rembor
150 Hochkarätige Sanierungsexperten trafen sich im Graz (Bild: U.E.Rembor)
Die Finanzierung von Unternehmen in der Krise stellt für alle Beteiligten –Unternehmen, Berater und Banken – eine besondere Herausforderung dar. Einerseits soll Alles getan werden um eine Restrukturierung zu unterstützen und den Schaden für die Stakeholder gering zu halten, andererseits bestehen genau aus diesem Grund erhebliche Risiken. Das 5. Grazer Forum Unternehmenssanierung das am Mittwoch dem 10. Juni auf dem Schlossberg Graz tagte, befasste sich mit den Fragen wie man frühzeitig drohende Insolvenz erkennt, wie bedrohten Unternehmen geholfen werden kann und welche Rolle Banken bei der Unternehmenssanierung spielen.

Circa 150 Gäste, darunter so hochkarätige Redner wie Dr. Ralf Zeitlberger, Head of Group Corporate Workout der Erste Group Bank AG, diskutierten, netzwerkten und kooperierten. Eines der häufigsten Risiken ist das Überschreiten der 60 Tage Frist für den Insolvenzantrag, der im worst case Konkursverschleppung bedeuten, und den Geschäftsführer in ernsthafte Schwierigkeiten bringen kann. Bereits ab einer rechnerischen Überschuldung und einer negativen Fortbestehens-Prognose tickt die Uhr und der Geschäftsführer hat 60 Tage Zeit, einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Rechtsprechung verlangt, dass zu jedem Zeitpunkt mindestens 90 % der Verbindlichkeiten beglichen werden können, lediglich eine Unterdeckung von 5-10 % ist eigentlich zulässig.

Die SkyBar erwartete die Gäste (Bild: U.E.Rembor)

Streng genommen wäre damit der Großteil aller Unternehmen insolvent, denn langfristige Verbindlichkeiten und Anlagevermögen anstatt hohen Bargeldbeständen sind die unternehmerische Wirklichkeit. Auch der Verlust des halben Stammkapitals verpflichtet zum Insolvenzantrag. Tückisch hierbei ist die Tatsache dass man diesen Bilanzposten eventuell erst entdeckt wenn es zu spät ist – hier ist auch unterjährig zu prüfen wie hoch die Eigenkapitalquote aktuell steht! Aber auch wenn die Eigenkapitalquote unter 8 % gesunken ist, oder die fiktive Verschuldungsdauer länger als 15 Jahre beträgt, besteht Handlungspflicht für den Geschäftsführer, d.h. er muss Insolvenz anmelden.Tut er das nicht, haftet er mit bis zu€ 100.000.- (das gilt pro Geschäftsführer). Bei negativem Eigenkapital reicht übrigens die bloße Angabe dass keine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechtes vorliegt, nicht.Es ist zu erläutern, WARUM KEINE insolvenzrechtlich Überschuldung vorliegen soll.

Spätestens hier wird klar, dass selbst exzellente Geschäftsführer im Tretminenfeld von Insolvenz und Sanierung überfordert sein können und besser einen Experten zu Rate ziehen. Wer hat schon Routine in der Bewältigung von Insolvenzen und Sanierungen? Weitere Alarmsignale aus Sicht der Gerichte sind „handfeste Krisensymptome“ wie z.B. Verlust von Schlüssel-Stakeholdern wie Key Accounts, -Lieferanten, -Mitarbeitern, -Investoren, der Verlust von Vertretungen bei Handelsgesellschaften, der Wegfall einer Wettbewerbsführerschaft, das Auslaufen von Patenten etc. Es ist daher für jedes Unternehmen wichtig, interne Kontrollsysteme zu etablieren (Business Dashboards, Monitors, KPIs) um jederzeit in Echtzeit über die Situation der Firma genau Bescheid zu wissen.

Dr. Martin Mayr von GOiNTERIM
Mag. Allitsch / Consulting Team Graz, Dr. Zeitlberger Erste Bank
Beim Networking

Was ist eine Fortbestehens Prognose? Eine Fortbestehungsprognose ist eine realistische Einschätzung der künftigen Erträge und Aufwendungen. Dabei sollten die Kosten nicht unter- und die Umsätze nicht überschätzt werden und einer genauen Prüfung standhalten! Für eine positive Fortbestehens Prognose muss die Zahlungsfähigkeit und Lebensfähigkeit des Unternehmens mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein. Eine tragfähige Fortbestehens Prognose die bei Banken und anderen Stakeholdern Unterstützung gewinnen soll, muss enthalten: - Verlustursachen, und zwar offen und ehrlich - Darstellung von externen und internen Einfluss Faktoren - Strategisches Unternehmenskonzept - Erfolgsplanung - Liquiditätsplanung - Besonders natürlich die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit in der näheren Zukunft (6-18 Monate) in der sog.

Primärprognose und im Zeitraum von 2-3 Jahren in der sog. Sekundärprognose - Gründe für erwartet Verbesserung der Ertragslage – ein optimistisch schöngerechneter Forecast und Beweisführung reicht nicht - Wareneinsatz in % - Personalkosten in % des Umsatzes, Personal-Fixkosten - Art, Umfang und Auswirkung der in der Planung berücksichtigten Sanierungsmaßnahmen (z.B. Veräußerung von nicht betriebsnotwendigen Vermögen, Kostenreduktionen, Sozialpläne, gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen) - Zeitliche Prämissen - Zusätzlich zugeführte Finanzmittel - Zuführung von Gesellschaftermitteln - Auswirkungen von Rangrücktritts- und Patronatserklärungen. Zum Thema Finanzierungen sollte man auch moderne, unorthodoxe Finanzierungsmöglichkeiten wie Crowd Funding oder andere Bürgerbeteiligungsmodell in Betracht ziehen.

So kann man als Unternehmen, ohne unter die Bankenkonzessionspflicht zu fallen, durchaus ein Angebot an mögliche Investoren machen wenn dieses nicht „öffentlich“ ist, d.h. wenn - Das Angebot an Großinvestoren ergeht und die Stückelung mindestens € 100.000.- beträgt - Der Gesamtwert des Angebotes unter € 250.000.-liegt - Das Angebot an weniger als 150 Personen geht (Achtung beim Veröffentlichen im Internet! Schnell ist hier die zulässige Adressatenzahl überschritten) Nach 12 Monaten kann man die Übung wiederholen und so mehrere Tranchen einsammeln. Dann entfällt auch die Prospektpflicht. Darlehen und Beteiligungen fallen ohnehin nicht unter die Bankenkonzessionsgeschäfte und können von jedem Unternehmen als Finanzierungswerkzeug genutzt werden.

Sollte Alles nichts nutzen und man bei einer rechnerischen Überschuldung die Liquidation (teilweise oder vollständige Realisation von Werten) einleiten, muss man sich (hier helfen meistens die Berater) die Frage stellen ob eine Gesamtverwertung oder eine Einzelverwertung des Vermögens mehr bringt. Einem sogenannten asset strip (Einzelverwertung) sollten der Goodwill und stille Reserven einer Gesamtverwertung gegenübergestellt werden. Auch die Zeitdauer einer Verwertung ist zu beachten, es nützt nichts wenn Werte vorhanden, aber erst sehr langfristig realisiert werden können. Auch ist zu bedenken dass Wertansätze größtenteils auf Prognosen und Schätzungen basieren, der tatsächliche Wert aber immer der Preis ist, den jemand zu zahlen bereit ist!

Andere bilanzpolitische Maßnahmen sind - Die Nutzung von Aktivierungsmaßnahmen - Auflösen von Rückstellungen - Sale & Lease Back - Ausgliederungen - Kapitalzufuhr - Forderungsverzichte - Umwandlung von Verbindlichkeiten in Hybrid- bzw. Mezzanine Kapital (Z.B. Genussrechte) - Rangrücktrittsvereinbarungen - Patronatserklärungen Da es für Fortbestehens Prognosen keine gesetzliche Regelung gibt, sollte man unbedingt einen Restrukturierungsexperten als Berater heranziehen, denn das Risiko ist groß hier Schaden anzurichten oder sich haftbar zu machen, wenn man sich nicht hundertprozentig auskennt.Einen Unternehmensberater heranzuziehen, ist sogar gesetzlich vorgeschrieben! Nach einem Urteil des BGH vom 27.3.2012, IIZR 171/10 heißt es:

Verfügt der Geschäftsführer einer GmbH nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss, hat er sich bei Anzeichen einer Krise der Gesellschaft unverzüglich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person beraten zu lassen. Übrigens liegt die alleinige Verantwortung und Verpflichtung für die rechtzeitige Beantragung der Insolvenz beim Geschäftsführer. Weder Gesellschafter noch Aufsichtsrat sind hier in der Verantwortung, und selbst gegen die Weisung dieser Organe muss der Geschäftsführer einen Insolvenzantrag stellen wenn die Unternehmenslage und die Rechtsvorschriften dies verlangen.

Auch die Fortführungsprognose bzw. der Sanierungsplan ist vom Geschäftsführer zu erstellen, bzw. muss von diesem beim Unternehmensberater in Auftrag gegeben werden. Übrigens können nicht nur Geschäftsführer Konkursantrag stellen, sondern auch Gläubiger. Im knallharten Wettbewerb kommt es durchaus vor, dass ein Unternehmen beim Konkurrenten in einer schwierigen Phase, wenn Lieferanten nicht pünktlich bezahlt wurden und die Lieferung einstellen oder auf Vorkasse umstellen, als vermeintlich freundlicher Helfer einspringen und den Mitbewerber beliefern, um aus Berechnung so zum Gläubiger zu werden und sofort Insolvenzantrag zu stellen wenn der Wettbewerber nicht pünktlich zahlt weil er sich auf den guten Willen des vermeintlich freundlichen Mitbewerbers verlassen hat.

Wie lange dauert eine Sanierung? Man darf sich nichts vormachen: Ein solider Turnaround dauert 2-3 Jahre. Während dieser Zeit ist das Unternehmen darauf angewiesen, dass die Banken mitspielen. Wie aber funktionieren Banken eigentlich? Nach welchen Kriterien beurteilen sie Unternehmen? Wann verlängern sie eine Finanzierung und wann nicht? Dazu muss man zunächst einmal wissen dass die Ursachen der letzten, sehr lange anhaltenden Finanzkrise die Tatsache war, das zu viele Banken zu viel Geld an zu viel Kunden verliehen hatten, die dann nicht zurückzahlen konnten und einen Dominoeffekt ausgelöst haben.

Logischerweise haben dann die Behörden vorgeschrieben, dass Banken nur noch an solche Menschen und Firmen Geld verleihen dürfen, die eine ausreichende Sicherheit und ein geringes Risiko darstellen. Bei 130 in Europa überprüften Banken mussten insgesamt € 47,5 Mrd. Buchwertanpassungen vorgenommen werden. Auf gut Deutsch: Eine riesige Anzahl von Sicherheiten musste im Wert reduziert, eine gewaltige Summe komplett abgeschrieben werden. Wer also das nächste Mal auf die Banken schimpft, sollte sich fragen ob er selbst mit eigenem Geld bereit wäre ein Risiko zu tragen wie es die Banken übernehmen.

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Artikelsignatur: Uwe Rembor | Autoren-Ressort: business.reporters.de
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